Die Bausubstanz der über 100 Jahre alten Brücke zwischen Gebenstorf und Windisch unterhalb des Reuss-Wehres weist altersbedingt gravierende Mängel auf. Die Untersuchungen zeigten, dass sich der Zustand der Brücke in den letzten Jahren massiv verschlechtert hat. Die Brückenpfeiler sind stark unterspült und es besteht bei grossem Hochwasser sogar die Gefahr eines möglichen Einsturzes.
Im Rahmen der Abklärungen wurden, die schon im Jahr 2000 festgestellten Ausspülungen, an den beiden Flusspfeilern erneut mit Tauchern untersucht. Das Untersuchungsergebnis zeigte eine deutliche Zunahme der Unterspülung an beiden Flusspfeilern. Als sehr kritisch zu betrachten war die Ausspülung vom Flusspfeiler 2 auf Seite Gebenstorf. Dieser war auf der ganzen Länge rund 120 cm hoch und 80 cm tief (halbe Pfeilerbreite) unterspült. Die Standsicherheit der Brücke war durch die Unterspülung der beiden Flusspfeiler stark gefährdet.
Die statischen Nachweise für die Standsicherheit konnten so nicht mehr erbracht werden, weshalb die Brücke am 7. September 2019 gesperrt und entsprechende bauliche Sofortmassnahmen getroffen werden mussten. Zur Gewährleistung der Standsicherheit wurden an den Ecken des Pfeilers Stahlprofile in den Baugrund einvibriert und mit Spannankern und Stahllaschen kraftschlüssig gegen den Pfeiler verschraubt. Am 24. September 2019 konnte die Spinnereibrücke für den Langsamverkehr wieder freigegeben werden.
Vorgehen
Da es sich um ein für die Gemeinden Gebenstorf und Windisch wichtiges Bauobjekt mit erhöhtem Anspruch an Qualität handelt, wurde ein Wettbewerbsverfahren durchgeführt. Ziel war es, verschiedene Ideen und Möglichkeiten zu prüfen und eine auf die Situation abgestimmte Bestvariante zu erhalten, welche langfristig die Bedürfnisse der Benutzer abdecken soll.
Wettbewerbsverfahren
Aus 21 Bewerbungen hat das Preisgericht für den Ersatz der über 100-jährigen Spinnereibrücke sieben Teams eingeladen, die bis im Dezember 2020 einen Wettbewerbsvorschlag für einen neuen Reussübergang ausarbeiteten.
Am 18. und 19. März 2021 hat das Preisgericht aus Vertretern der auslobenden Gemeinden Gebenstorf und Windisch, Anwohnervertretern und Fachexperten im Bereich Brückenbau, Architektur/Städtebau und Verkehr im Gemeindesaal in Gebenstorf getagt. Dabei wurden die Wettbewerbsbeiträge umfangreich aus verschiedenen Sichtwinkeln analysiert und diskutiert. Das Preisgericht war erfreut über die grosse Bandbreite an unterschiedlichen Lösungsansätzen für die anspruchsvolle Aufgabe. Die Vielfalt an einfallsreichen und zum Teil überraschenden Beiträgen hat den Wettbewerb bereichert und das Verfahren gerechtfertigt.
Nach einer abwägenden Diskussion hat das Preisgericht entschieden, das Projekt «KANAGAWA» von Fürst Laffranchi Bauingenieure GmbH, Aarwangen und Felgendreher Olfs Köchling Architekten, Azmoos zum Siegerprojekt zu küren. Das Projekt «KANAGAWA» schlägt eine unterspannte Stahlträgerbrücke vor, die sich durch seine eigenständige, in sich zusammenhängende Form und die Verbindung aus Funktionalität und Gestaltung auszeichnet. Die Integration der Brüstung als statisches Element führt zu einem erstaunlich eleganten, horizontal gespannten Element, welchem es mit geringen Materialaufwand gelingt, den gesamten Flussraum stützenfrei zu überspannen. An den beiden Enden schafft zudem die Vorplatzgestaltung eine räumliche Situation, welche der gegebenen Situation gerecht wird und bestehende Qualitäten wahrt.
Kosten
Die beiden Gemeinden haben dem Verpflichtungskredit für den Ersatzneubau der Spinnereibrücke im Jahr 2021 zugestimmt. Die Kostenschätzung wurde im Rahmen des Vorprojektes erstellt und ergibt folgende Gesamtpreise nach Kostenteiler:
Kostenträger | Kosten |
---|---|
Gemeinde Windisch | CHF 2'450'000 |
Gemeinde Gebenstorf | CHF 2'365'000 |
Total | CHF 4'815'000 |
Kantons- und Bundesbeiträge
Der Grosse Rat hat die Verbindung über die Reuss zwischenzeitlich zu einer Velohauptroute aufgestuft, was mit einem wesentlichen finanziellen Beitrag durch den Kanton verbunden ist. Zudem wurde die Spinnereibrücke vom Bund im Agglomerationsprogramm aufgenommen, womit auch der Bund einen Beitrag leistet.
Aktueller Stand
Aufgrund der Anforderungen an den Hochwasserschutz muss die neue Brücke gegenüber dem heutigen Terrain um 1.2 Meter angehoben werden. Dies erfordert im Bereich der beiden Brückenköpfe einen entsprechenden Niveauausgleich, was eine zusätzliche Herausforderung an die Gestaltung des Brückenkopfes mit sich bringt. Parallel zur Erarbeitung des Detailprojektes wurde für die Gestaltung des Brückenkopfes auf der Windischer Seite ein Mitwirkungsverfahren in Form einer Umfrage durchgeführt. Angesprochen wurden verschiedene Interessengruppen wie Anwohnende und alle Nutzer und Nutzerinnen der Brücke und deren Aussenraum.
Im Verlauf regte sich Widerstand gegen den nicht abschliessend geplanten Brückenkopf. Um Planungssicherheit zu erlangen, wurden im Dezember 2023 die direkt betroffenen Anwohnenden zu einer Information ins Gemeindehaus Windisch eingeladen. Es resultierten gemeinsame Workshops, wobei eine Lösung erarbeitet wurde, die sich optimal in die Umgebung einfügt. Diese «Optimalvariante» bedingt einen Landabtausch, wozu die Eigentümerschaft Einstimmigkeit erlangen muss. Bedauerlicherweise konnte an der ausserordentlichen Miteigentümerversammlung im März 2024 die erforderliche Zustimmung nicht vollständig erreicht werden.
Es wurde viel Zeit und Geld für die Erarbeitung der «Optimalvariante» investiert. Beide Gemeinderäte, Windisch und Gebenstorf, sind von dieser Variante überzeugt und wollen sie entsprechend umsetzen. Um das Bauprojekt vorwärtszutreiben, haben die Gemeinderäte Windisch und Gebenstorf gemeinsam die nächsten Schritte festgelegt. Ziel beider Gemeinderäte ist es, dass Baugesuchsverfahren nach den Sommerferien 2024 einzuleiten.